Kurz mal überlegen - warum rechter Populismus nicht die klügste Wahl ist

Kurz mal überlegen – warum rechter Populismus nicht die klügste Wahl ist

In der ZIB2-Analyse des ORF-„Sommergespräches“ mit FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache sagt Claus Pándi, Leiter des Innenpolitik-Ressorts der Kronen Zeitung: „Rechts von Kurz ist nicht mehr sehr viel Platz.“ Strache könne nicht noch weiter nach rechts „als Sebastian Kurz ohnehin schon steht“. Und auch Eva Linsinger, Innenpolitik-Chefin beim Nachrichtenmagazin profil, meint zu Recht: „Es gibt kaum inhaltlich mehr Unterschiede zwischen ÖVP und FPÖ.

Im Friedensturm wollen ja keine Feindbilder geschürt, sondern Vorurteile hinterfragt werden. Ich kenne Herrn Kurz nicht persönlich und urteile nicht gerne über andere, aber als eines der längst-dienenden Regierungsmitglieder läßt er sich gut an seinen Taten messen. Und da ist einiges dringend klar zu stellen.

Lügen haben ….e Beine.

Tatsächlich kritisiert der „Geilomobil„-fahrende Studienabbrecher gerne Zustände, für die er selber verantwortlich ist, und schmückt sich mit vorgeblichen Leistungen, die bei näherer Betrachtung logischerweise nicht seine sein können. So ist die Schließung der Balkanroute natürlich nicht sein Verdienst, sondern ausschließlich das Ergebnis unserer Anbiederung an den türkischen Diktator.
Kurz‘ Vorstellung von Integration beschränkt sich vornehmlich auf sauteure Werbung für einen äußerst fragwürdigen Nationalstolz. Und engagierte Freiwilligenarbeit beschimpfte er gerne als NGO-Wahnsinn. Wenn Menschen in Not geholfen wird, ist dies selbstverständlich nicht der Grund, warum immer mehr in Not geraten. Nach Kurz‘ Logik müßten, um Alkoholismus zu bekämpfen, eigentlich auch Taxis abgeschafft werden, weil sich Besoffene sonst darauf verlassen, daß sie eh heimgebracht werden. Und auch Rettung, Feuerwehr, Krankenhäuser usw. verführen uns in dieser Kurz-sichtigen Logik alle nur dazu, unvorsichtig zu sein. Also weg damit? Nein, Kurz überlegt nicht – er will einfach nur geil sein. Da stellt sich die Frage, wer wirklich wahnsinnig ist.
Statt endlich an den Ursachen für Flucht zu arbeiten, wird die Entwicklungshilfe um 7,4% reduziertSeit Jahrzehnten etablierten und äußerst wertvollen Projekten wird die Förderung plötzlich gestrichen. Österreich wird ganz un-europäisch und rückschrittlich abgeschottet. Und eigentlich will Kurz sowieso alle Flüchtlinge in KZ steckenEin Großteil der ehrenamtlich engagierten Integrationsbotschafter distanziert sich deshalb inzwischen von seiner populistischen Ausgrenzungspolitik. Eine vorgebliche Islam-Studie, die tatsächlich mit Forschung nichts zu tun hat, wird zusätzlich noch im Nachhinein inhaltlich grundlegend verändert, um besseren Stoff für ausländerfeindliche Hetze zu bieten. Wenn „Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbständigkeit und Transparenz der Regeln“ alles doch nur böse „islamische Werte“ sind, welche sind im Gegensatz dazu dann die Werte unserer tollen Leitkultur? Einfach nur „geil“?

Selbstverständlich kann der Autor dieser Pseudo-Studie seinem Geldgeber nicht widersprechen, von dem er dauerhaft existentiell abhängig ist. Aber eine aktuell vom unabhängigen Bertelsmann-Institut erstellte und tatsächlich ernsthaften wissenschaftlichen Kriterien entsprechende Studie zeigt ein ganz anderes Bild von den real sich gar nicht abschottenden und sozial überaus engagierten Moslems. Die Umfrage dokumentiert jedoch auch deutlich die Kurz-sinnige Anti-Integration in Österreich. Das Kurz-gezielte Schüren von Feindbildern hat fatale Auswirkungen. „So werden Muslime in Österreich besonders stark abgelehnt.“ (Seite 60)
Nicht nur beim seriösen Hinterfragen von Vorurteilen sondern auch beim Spracherwerb, bei der Förderung von Toleranz, von Verbundenheit mit dem Gastland oder gar von interkulturellen Freundschaften und am meisten beim Schutz vor Diskriminierung liegen wir im Vergleich beschämend weit zurück. „In Österreich berichten nur halb so viele Befragte von Diskriminierungsfreiheit wie in der Schweiz oder in Deutschland.“ (Seite 37) Herr Kurz ist also als Integrationsminister kläglich gescheitert. Im Gegenteil hat er nachweislich nur Ausgrenzung betrieben.

Und auch sonst werden wichtige außenpolitische Aufgaben entweder gar nicht wahrgenommen oder nur für den Wahlkampf mißbraucht. So nahm Kurz an den Treffen der EU-Außenminister zur Entwicklungspolitik im gesamten Jahr 2016 und auch in diesem Jahr noch kein einziges Mal teil. Und auch im wirklich wichtigen EU-Ministerrat für Allgemeine Angelegenheiten, dem er laut Bundesministeriengesetz beiwohnen muß, war er letztes Jahr nur ganz selten und dieses Jahr noch kein einziges Mal. Für normale Jobs wäre das ein dringender Kündigungsgrund. Bei so wichtigen Verantwortungsträgern sollte die Messlatte (nicht nur) der Arbeitsmoral natürlich höher statt niedriger liegen. Kurz macht Kritiker einfach mundtot und liefert damit nicht nur das Gegenteil von positiver Außenpolitik, erfolgreicher Integration oder vorbildlichem Role-Model für junge Menschen oder Zuwandernde, sondern eigentlich nur aufgelegte Kalauer über Seh- & Denkvermögen, Geilheit, Pinocchios Nase oder Lückentexte.

Die Einschätzungen im oben erwähnten Sommergespräch sind also berechtigt. Um es bayrisch zu formulieren: Rechts neben Kurz ist nur noch die Wand.

Rechte Populisten kurz mal an der Macht

Als im Februar 2000 die ÖVP mit der FPÖ eine Regierung bildeten, gab es in ganz Österreich Proteste sowie weltweit diplomatische Einschränkungen. Unter anderem weil „offen ausgesprochene Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig gemacht“ wurde, wegen „Versuchen, politische Gegner zum Schweigen zu bringen oder sie sogar zu kriminalisieren“, weil „Aussagen und Meinungen“ des damals amtierenden Justizministers „nicht mit den Prinzipien der EU vereinbar“ waren und wegen „Mängel im österreichischen Rechtssystem“ wurde in einem EU-Weisenbericht empfohlen, „Entwicklungen in Österreich weiter genau zu beobachten“. Alle diese Kritikpunkte treffen auch auf Kurz und seine babyblauen Bluthunde zu.

Was hat sich also seither verändert?
Die FPÖ wurde ganz sicher nicht gemäßigter. Ein Vergleich der Programme von 1998 und jetzt, aber vor allem die (den Menschenrechten, der christlichen Nächstenliebe und allen humanitären Werten widersprechenden und damit nicht zu unserer so gerne bemühten Leitkultur passenden) Forderungen anläßlich der Flüchtlingskrise zeigen dies überdeutlich.
Was sich jetzt eben geändert hat ist der Fakt, daß sich eine zweite Partei auch immer offener rechtspopulistisch präsentiert. Wie sehr sie dies versteckt schon immer war, bewies z.B. auch das Fremdenrechtspaket von Schüssel, das seither dem Menschenrecht auf ein faires Verfahren widersprechend Abschiebungen schon bei Anklage zuläßt. Dies ist für eine „Volks“-Partei, die personell und inhaltlich großteils aus einer Partei hervorgeht, die sich selbst ursprünglich ausdrücklich antisemitisch deklarierte, nicht besonders verwunderlich. (Die gesamte Kritik hier bezieht sich ausdrücklich auf die Bundespartei bzw. Pseudo-„Bewegung“ und nicht auf die vielen engagierten Bürgermeister, die oft wirklich gute Arbeit leisten.)
Die entgegen allen Behauptungen ganz verlogen doch hauptsächlich von Steuergeldern und sonst großteils von Stefan Pierer finanzierte und damit von einem einzigen Großindustriellen abhängige Partei gibt sich nur oberflächlich als von Basti K. geführte, neue und unabhängige „Bewegung“ aus. Wenn Christen aber auf christliche Gebote und vor allem auf Nächstenliebe vergessen, wenn Konservative die eigenen Wurzeln und damit ihre Stärke, ihre existenzielle Definition verleugnen, kann nur heuchlerische Anbiederung übrig bleiben.

Und ohne irgendwelche moralischen Werte, ohne Integrität bestimmen oberflächliche Meinungsumfragen die Richtung, in die sich Staatenlenker wie ein Fähnchen im Wind drehen.
Es ist also ein intellektuelles Armutszeugnis, wenn die ehemals Konservativen inzwischen so weit rechts stehen, wie dies früher für eine Regierungsbeteiligung tabu war.
Aber was bedeutet dies für zukünftige Perspektiven?
Was mir absolut unverständlich bleibt, ist, wie wenig Empörung & Widerstand sich gegen diesen massiven Rechtsruck einer vorgeblichen Mitte-Partei regt. Wollen alle nur genau so sein, wie es blöde Meinungsumfragen sagen, statt Integrität zu beweisen?
Warum gibt es keine Proteste gegen diese Unterwanderung europäischer Werte?
Warum will die SPÖ nur eine Koalition mit rechts-populistischen Parteien verweigern, wenn sich diese Freiheitliche nennen?
Wird es im Herbst deshalb unweigerlich wieder „EU-Sanktionen“ geben?
Ist das gut, wenn es nur deshalb keine gibt, weil andere europäische Politiker noch schlimmer sind?
Sind wir schon zu abgestumpft oder zu frustriert, um etwas zu unternehmen?

Was können wir tun?

Zuerst ist es wohl wichtig, endlich die österreichische Geschichte ehrlich aufzuarbeiten. Wir sind noch immer zu sehr damit beschäftigt, uns als Hitlers erste Opfer zu bezeichnen, um zu sehen, wie wir schon lange davor und vollkommen unabhängig in eine Diktatur abglitten.

Die Zeit der Parteienherrschaft ist vorbei! Wir lehnen Gleichschalterei und Terror ab, wir wollen den sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker, autoritärer Führung!
Dollfuß am österreichischen 9-11 1933

Die Nazis oder das dritte Lager waren nie die einzige Gefahr für unsere Demokratie. Und die Sozialisten waren und sind nie die einzige Alternative. Wer die nicht wählen will, die sich vor allem mal selber nehmen, was ihnen ihrer Ansicht nach zusteht, findet viele andere Möglichkeiten, die alle zumindest besser sind, als nicht zu wählen. Ob diese trotz medialer Benachteiligung eine Chance haben, die demokratiefeindliche und eigentlich verfassungswidrige 4% Hürde zu überwinden, und ob die Sozialdemokratie ihren Grundsätzen treu bleibt und nicht mit Rechten – also auch nicht mit den neuen Rechten – koaliert, liegt nicht in unserer Macht. Aber wir können zumindest sagen, daß wir getan haben, was wir können. Denn wieder einmal ist die größte Gefahr der graue Balken.

Wir entscheiden, ob sich rechter Populismus lohnt oder nicht.

Unsere Demokratie und damit unsere Freiheit und auch unsere Sicherheit sind auf politische Vielfalt angewiesen. Wenn sich die Wahlmöglichkeiten nur noch in Frisur oder „Geilomobil“-Marke unterscheiden, und sich alle nur übertrumpfen, wer rechter, populistischer, vermeintlich „geiler“ sein kann, ist es zu spät. Laßt uns deshalb jetzt diejenigen wählen, die in der Sensations-geilen Berichterstattung zu kurz kommen! Und davon gibt es viel mehr als gedacht.
Auch wenn wir nur an die Sieger denken wollen: Es wird kein Kanzler gewählt, sondern der Nationalrat. Und da gibt es einige, die wir uns hinein wünschen können – für mehr Diversität, als Gegenpol, zumindest als Protest. Jede nicht abgegebene (oder ungültige) Stimme ist eine für die anderen.
(Update: Es gibt doch wieder die Entscheidungshilfen auf wahlkabine.at und von der Wiener Zeitung. Auch wenn hier wieder manche Wahlmöglichkeiten und wichtige Themen ignoriert werden, so bieten sie doch einige sachliche Informationen. Wie die ÖVP darüber hinaus z.B. zu TTIP/CETA und Glyphosat von Monsanto steht, ist ja bekannt, wenn auch offenbar unter den Wähler_innen seltsam gut verdrängt.)
(Noch ein Update: neuwal hat erfreulicherweise jetzt alle Kandidaten im direkten Vergleich.)

Meinungsumfragen haben sich schon oft geirrt. Wir können in unseren Netzwerken noch einiges bewegen. Wir entscheiden, ob Österreich eine ethische Evolution erleben kann oder sich in stumpfsinnigem Feindbild-Denken zurückentwickelt. Und selbstverständlich schaden wir mit jeder Ausgrenzung vor allem uns selber.

Und alle, die etwas an diesem Beitrag auszusetzen haben, mögen mir dies bitte möglichst konstruktiv mitteilen !)  Ich lasse meine Texte eigentlich lieber vorher gegenlesen, diskutiere sie ausführlich und veröffentliche erst dann. Diese Wahl wartet leider nicht darauf.
Ich dränge mich nicht auf, aber ich verspreche: Die interessantesten Gedanken findet Ihr hier, wenn Ihr Euch anmeldet
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