Gedenken & Geschreie auf der Donnerstagsdemo
Im Laufe der bald vier Jahre, die wir jeden Donnerstag ohne Ausnahme um 18:00 beim Marcus Omofuma Denkmal am Platz der Menschenrechte in Wien demonstriert haben, ist gemeinsam ein Text entstanden („Gedenken & Geschreie“), den wir immer wieder als Standardprogramm zu Beginn vor den immer wieder aktuellen Demo-Empfehlungen für die kommende Woche und den von der Tagespolitik geprägten Diskussionen am Open Mic vorgetragen haben.
Im groben entsprach dies folgendem Text:
(Text in BLOCKBUCHSTABEN soll geschrien werden.)
Willkommen zur Donnerstagsdemo!
Wir sind jetzt seit bald vier Jahren jeden Donnerstag hier am Platz der Menschenrechte für eine menschlichere, ehrlichere, verantwortungsvollere, lösungsorientierte Regierungspolitik!
Schön, daß Ihr da seid! Does everyone understand German? Otherwise I can talk in English.
Wie jeden Donnerstag möchte ich mit Euch zu Beginn der Todesopfer dieser Regierungspolitik gedenken.
Das hat bei uns Tradition, weil es vor drei Jahren ja noch Corona-Lockdowns gab. Und obwohl wir mit Sicherheitsabstand & Masken nachweislich nie eine Ansteckung hatten, warfen uns machen vor: „Es geht um Menschenleben!“ Ja, es geht um Menschenleben. Einige davon will ich aufzählen. Und weil unsere Regierung damals immer sagte, „Jeder Tote ist einer zuviel“, sagen wir: „jede Tote ist eine zuviel!“
Weil wir uns immer beim Marcus-Omofuma-Denkmal treffen, gedenken wir zuerst aller Opfer von Polizeigewalt vor allem aller rassistischer Gewalt. Und aller Femizide und aller Opfer sexualisierter, homophober, transphober oder sonstiger queerphober Gewalt. Jede Tote ist eine zuviel!
Wir gedenken aller Kriegsofer– und aus gegebenem Anlaß betone ich nochmal ALLER Kriegsopfer und aller Opfer militärischer oder terroristischer Gewalt (wenn es da überhaupt einen Unterschied gibt), aller Opfer totalitärer Regime, aller die auf der Flucht ertrinken, verdursten, verhungern oder erfrieren. Aller die in Guantanamo-ähnlichen Flüchtlings-Konzentrations-Zeltlagern oder Blechkisten unter unmenschlichen Bedingungen dahinvegetieren und viel zu oft auch sterben oder rassistischen Anschlägen zum Opfer fallen.
Wir gedenken aller Pushback-Opfer und aller, die in den Tod abgeschoben werden. Jede Tote ist eine zuviel!
Wir gedenken aller Opfer der viel zu wirtschaftsfreundlichen Gesundheitspolitik, aller die von einem ausbeuterischen Sozialsystem in Depressionen oder Burn-Out getrieben, im Stich gelassen keinen Ausweg mehr sehen, oder die wegen Sparmaßnahmen am falschen Platz aufgrund unzureichender Kapazitäten nicht gut genug behandelt werden können.
Wir gedenken auch aller Suizide wegen faschistischen Tagesstrukturen, obskuren Lärmregelungen und vor allem wegen populistischem Feindbilderschüren. Jede Tote ist eine zuviel!
Wir gedenken aller Opfer einer Straßenverkehrsordnung, in der nur das Recht des Stärkeren gilt, aller die schon lange jedes Jahr wegen Luftverschmutzung qualvoll ersticken, und aller die jetzt schon und noch mehr in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten an den Folgen von Umweltzerstörung und Klimaerwärmung also an Hitze, Dürre, Stürmen, Überschwemmungen und an weiteren Pandemien sterben. Jede Tote ist eine zuviel!
Danke!
Aber Gedenken alleine hilft nicht. „Jede Tote ist eine zuviel!“ bedeutet, daß auch wirklich alles getan werden muß, um dieses unnötige Sterben zu beenden. Das sind unschuldige Menschen, deren Leben plötzlich zu Ende ging. Niemand will die nächsten sein. Es muß also wirklich ganz konkret etwas getan werden!
Was können wir tun? Für manche Menschen ist Corona noch immer ein Problem. Danke deshalb allen, die weiterhin aus Rücksicht auf Sicherheitsabstand oder Masken achten! Wer FFP2-Masken haben will, kann sehr gerne welche von uns bekommen.
Was können wir noch machen? Für den Frieden können wir zuerst unsere eigenen Feindbilder hinterfragen, möglichst inklusiv sein, Frieden stiften, Beziehungsarbeit leisten. Wir können darauf achten, daß sich alle hier jeden Donnerstag am Platz der Menschenrechte wohl fühlen. Das bedeutet auch, auf die Bedürfnisse anderer einzugehen, beim Gedenken ruhig zu sein, beim Geschreie gerne auch manchmal ruhig zu sein. Wir müssen nicht in allem überein stimmen. Es wird trotzdem genug Gemeinsamkeiten geben. Ihr seid herzlich eingeladen, das beizutragen, was Ihr zum Wohle aller beitragen wollt.
Was können wir noch machen? Wir können diese Demo aus Rücksicht auf unser aller Zukunft mit Lastenrädern und ohne Dieselaggregat betreiben, gerettetes Essen weiterverschenken und andere Lösungen konkret umsetzen. Mehr dazu gerne auf Nachfrage!
Und was wir nicht selbst umsetzen können, müssen wir ganz klar an die Verantwortlichen adressieren: Manche mögen fragen, warum wir überhaupt noch Donnerstagsdemos machen. Es sind ja eh keine Blauen mehr in der Regierung. Denen antworten wir: Es geht um Inhalte nicht Farben. Taten zählen! Und: BABYBLAU IST AUCH NICHT BESSER!
Und wer glaubt, seit dem Kurz-Schluß sei eh alles ok, den frage ich:
HAMMA MENSCHENRECHTE? NE HAMMA NED!
HAMMA KLIMASCHUTZ? NE HAMMA NED!
HAMMA SCHUTZ VOR HÄUSLICHER GEWALT? NE HAMMA NED!
HAMMA WIRKSAME MASSNAHMEN GEGEN DIE TEUERUNG? NE HAMMA NED!
HAMMA A VERKEHRSWENDE? NE HAMMA NED!
HAMMA MASSNAHMEN GEGEN DEN MASSIVEN BURNOUT IN SOZIALBERUFEN? NE HAMMA NED!
HAMMA MASSNAHMEN GEGEN DIE GRASSIERENDE KONSUMSUCHT? NE HAMMA NED!
HAMMA OFFENE MÜLLRÄUME? NE HAMMA NED!
Was haben wir sonst alles nicht? Sonst können wir das gerne später noch beim Open Mic ergänzen.
Wie Ihr seht, gibt es unabhängig von wechselnden Haupt-Themen immer bei jeder Donnerstagsdemo einige Fixthemen. So betreiben wir jede Donnerstagsdemo stinkerfrei mit Lastenrädern für Klimaschutz.
WHAT DO WE WANT? CLIMATE JUSTICE!
WHEN DO WE WANT IT? NOW!
Und weil echter Klimaschutz nur mit einer konsequenten Verkehrswende möglich ist:
WESSEN STRASSE? Und: LOBAU BLEIBT! HIRSCHSTETTEN RETTEN!
Und wir stehen bei jeder Donnerstagsdemo für sichere Fluchtwege, ein humanitäres Bleiberecht und Inklusion – und zwar für alle Flüchtlinge unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion usw.! Die Menschenrechte gelten für alle gleich! Es ist ehrlich schön, wie sehr die Menschen in der Ukraine willkommen geheißen werden, aber gleichzeitig zeigt es, wie rassistisch unser Land ist.
Deshalb: SAY IT LOUD AND SAY IT CLEAR: ALL REFUGEES ARE WELCOME HERE!
Und weil Nationalismus nur zu Krieg führt: HOCH DIE ANTINATIONALE SOLIDARITÄT!
Und auch wenn wir natürlich solidarisch mit allen Menschen in der Ukraine und auch allen anderen Kriegsgebieten sind wollen wir hier bitte keinen Nationalismus oder Hassreden. Stattdessen fordern wir seit Beginn des Krieges in der Ukraine, ein echtes, konsequentes Embargo von Russland – und zwar auch von Gas! Menschenleben sind wichtiger als Arbeitsplätze oder Wohlstand! Diesen Krieg durch unseren immer mehr steigenden Energieverbrauch mitzufinanzieren und ihn dann als Ausrede für Aufrüstung zu mißbrauchen, ist zynisch & verlogen.
ÖSTERREICH FINANZIERT, PUTIN BOMBARDIERT!
EU FINANZIERT, ERDOGAN BOMBARDIERT
NOCH MEHR RÜSTUNG, NOCH MEHR WAFFEN – WERDEN KEINEN FRIEDEN SCHAFFEN!
GELD FÜR BILDUNG STATT FÜR WAFFEN – BUNDESHEER ABSCHAFFEN!
Ja, Bildung ist nur ein Bereich, der kaputt gespart wird, nur damit wir unnötige Panzer und Raketen kaufen können. Aber im ganzen Sozialbereich ist es nicht besser. Wir haben der Femizide vorhin schon gedacht. Aber wir haben auch gesagt, daß Gedenken alleine nicht reicht, sondern alles getan werden muß um dieses Sterben zu verhindern. Alle Opferschutzeinrichtungen und alle Präventionsmaßnahmen klagen, daß sie zu wenig Geld haben. Was macht unsere „Frauen“-Ministerin? Sie behauptet einfach: „Die haben eh alle genug Geld.“ So werden Probleme gelöst? Einfach sagen: „Ist eh alles ok!“ Mit dieser patriarchalen Regierung wird sich das auch nie ändern.
Deshalb sind wir nicht nur am 8. März oder im Mai jeden Donnerstag feministisch: STOPT FEMIZIDE! MAN TÖTET NICHT AUS LIEBE!
Wir solidarisieren uns mit den Protesten im Iran, in Kurdistan und überall wo Menschen gegen Unterdrückung kämpfen und rufen auf Kurdisch „Frauen – Leben – Freiheit“: JIN JIYAN AZADI!
Und wir sind überall gegen sexistische Kleidervorschriften. Und wenn diese „Frauen“-Ministerin ernsthaft offiziell allen Frauen rät, nach dem Fortgehen nicht durch dunkle Gassen heim zu gehen, dann antworten wir: HOWEVER I DRESS, WHEREVER I GO: YES MEANS YES AND NO MEANS NO!
Wir kämpfen aber nicht nur für Frauen sondern für alle, die nicht toxisch-männlicher Binarität entsprechen – und sind nicht nur, wenn’s gerade alle machen, im Juni sondern das ganze Jahr jeden Donnerstag queer! WAS KOTZT UNS SO RICHTIG AN? EINTEILUNG IN ›FRAU‹ UND ›MANN‹!
Und: ALLERTA! ALLERTA! QUEER FEMINISTA!
Wir sind das ganze Jahr gegen Korruption und für Transparenz und einen echten Schutz von Whistleblowern. Leute dürfen nicht dafür bestraft werden, daß sie den Ibiza-Skandal oder Kriegsverbrechen oder Pushbacks und illegale Gefängnisse an den Europäischen Außengrenzen aufdecken.
Und wir sind nicht nur im Juli jeden Donnerstag gegen Ableismus. Und weil wir möglichst inklusiv sind, achtet deshalb bitte darauf, daß sich wirklich alle hier wohl fühlen, und daß alle wertschätzend & rücksichtsvoll sind!
(Was wollt Ihr auf der Donnerstagsdemo thematisieren?Kennt Ihr Leute, die bei uns sprechen (oder z.B. in Gebärdensprache übersetzen) wollen? Kennt Ihr Musikerinnen oder Tänzerinnen? Wollt Ihr DJ spielen?Wollt Ihr Werbung auf Sozial-Media oder Plakatieren oder Stencils lernen? Habt Ihr persönliche Kontakte zu anderen Demos? Ihr könnt Sie sehr gerne erinnern, daß sie immer herzlich bei uns willkommen sind. Wir können Ort und Zeit leider nicht ändern, aber wir wollen kooperieren und laden alle hierher ein gemeinsam statt nebeneinander oder gar gegeneinander! Sonst irgendwelche Ideen, wie Ihr mithelfen wollt? Dann meldet Euch nachher bei mir oder kommt ins freegane Cafe Hoog um die Donnerstagsdemo nicht nur zu konsumieren sondern mitzugestalten!)
Das gerettete Essen und die Getränke zur freien Entnahme habe ich schon erwähnt. Esst, soviel Ihr wollt, und nehmt ,soviel Ihr tragen könnt, weil: Lebensmittel sind erst gerettet, wenn sie gegessen sind. In den Kannen ist Kaffee, Schwarztee, Kräutertee.
Zum Schluß noch mein Lieblingsdemospruch gegen Lebensmittelverschwendung und für offene Müllräume: WESSEN MÜLL?
Und jetzt ganz herzlichen Applaus für Kevin mit den Demoempfehlungen der Woche!
(Danach kamen die aktuellen Empfehlungen für Demos für Solidarität mit marginalisierten Gruppen und für Umwelt- und Klimaschutz. Und dies mündete meist in Diskussionen am Open Mic oder auch gemeinsames Singen von eigenen, umgeschriebenen oder allgemeinen Protestliedern.)
Aufgrund der aktuellen Wahlen werden wir diese Rede natürlich auch aktualisieren. Wer bei uns mitmachen will, kann immer sehr gerne Anregungen und Wünsche für Änderungen an diesem Gedenken & Geschreie einbringen. Wir entscheiden alles gemeinsam.