Wenn nur der Schein geheiligt wird …
Auch wenn die Kernfrage des Friedensturms „Was ist das positive Gegenteil des Bösen?“ etwas tiefergehender Reflexionen und manchmal auch mutiger Kreativität bedarf, so läßt sich ganz einfach beantworten, was aus-der-Geschichte-lernen sicher nicht ist:
Wenn Unsummen in oberflächliche Gedenkfeiern gesteckt werden, und gleichzeitig wegen unserer Schuld mehr Leute verhungern als damals vergast wurden, dann ist das nur scheinheilig.
Alle paar Sekunden verhungert ein Kind, und gleichzeitig werden weltweit die Hälfte aller Lebensmittel weggeschmissen. Damit wir unseren Lebensstandard halten können, gibt es heute mehr Sklaven als jemals in der Menschheitsgeschichte. Ausbeutung & Sterben auf einen anderen Kontinent outsourcen – das ist sicher keine Lösung.
Wenn längst verstorbene Helden des NS-Widerstandes wie Heilige verehrt und jetzige Fluchthelfer global zu Schleppern diskriminiert werden, entspricht das nur einer zynischen Doppelmoral. Kein einziger Jude hätte überlebt, wären die großdeutschen Grenzen so dicht gewesen wie die der heutigen Festung Europa. Wer jetzt Menschen hilft, in sichere Länder zu flüchten, wird ebenso kriminalisiert wie damals die „Gerechten unter den Völkern“. Doch sind sie mal hier, gelten immer seltener die Menschenrechte sondern nur noch bürokratische Asyl-Schnellverfahren & unmenschliche Abschiebungen in den sicheren Tod.
Und wenn wir vor unseren Toren neue Konzentrationslager bauen oder gar ehemalige Nazi-KZs für Flüchtlings-Internierungslager nutzen, so sind wir nicht besser als die Verbrecher von damals.
Wer jetzt empört meint, hier werden NS-Verbrechen verharmlost, dem seien die Fakten ans Herz gelegt. Wir töten durch Abschiebung & Verschwendung. Wir beuten aus & versklaven. Und auch wenn wir das nicht direkt tun, so sind wir doch die Auftraggeber durch unseren Konsum, unsere Energieverschwendung, unsere Geldanlagen, unsere Wahlstimme, unser Wegsehen. Die Links in diesem Artikel und in vielen anderen Friedensturm-Beiträgen untermauern diese unbequeme Realität.
Wer meint, wir hätten unseren Reichtum und unsere Vormachtstellung in der Welt redlich verdient, der verdrängt, daß dies zu einem großen Teil nur auf nie ganz wiedergutgemachten kolonialistischen, imperialistischen, nationalsozialistischen, neokolonialistischen oder anderen euroexpansiven & monopolkapitalistischen Ungerechtigkeiten beruht. Eurozentrismus ist auch nur Herrenrassen-denken.
Ja, selbst innerhalb der EU werden lieber Staaten in den Konkurs getrieben als alte NS-Kredite zurückzuzahlen oder Kriegsschäden auszugleichen.
Und wer sich still denkt, es wäre ja auch ok, die Verbrechen früherer Generationen subtiler, attraktiver, mit besserer PR weiterzuführen, der sollte sich fragen, was dieser Verdrängung alles geopfert werden muß. Wollen wir uns unser ganzes Leben lang ablenken müssen, in Angst vor dem Sterben, unser eigenes Unterbewußtsein zum Feind? Karma ist keine esoterische Erfindung sondern bedeutet, daß wir selber uns damit auch selber schaden.
Was werden wir kommenden Generationen antworten, wenn sie uns fragen, wie wir nur wegsehen konnten?
Gedenkstätten ohne konkret gelebte Integrität sind nicht besser als Nazi-Kultstätten. Oberflächliches Gedenken betäubt nur das Gewissen, schenkt das trügerische Gefühl, wir hätten uns scheinbar schon genug mit dem Thema beschäftigt. So wie der Gottesdienst ohne gelebte Nächstenliebe die Anbetung von Götzen bedeutet, so ist eine Erinnerungskultur nur Sentimentalität, wenn sie nicht konstruktive Alternativen erschafft.
Der Friedensturm will lieber konkrete, konstruktive, positive Lösungen fördern als die schwierigen Kapitel unserer Vergangenheit verdrängen, vergessen, tabuisieren. Wir wollen offene Räume schaffen, in denen Integrität konsequent & praktisch gelebt werden kann, kreative & avantgardistische Alternativen wachsen, wortwörtliche Wiedergutmachung, Befreiung und Erlösung geschehen kann.
Wie das ganz praktisch aussieht, ist in einigen Beiträgen hier oder z.B. im Cafe Hoog zu sehen, aber natürlich bedeutet das Gegenteil von Diktatur, daß nur einige Vorschläge gemacht werden, und viel Freiraum für neue Ideen bleibt.
Es liegt also an Dir, selber aktiv zu werden, Mitverantwortung zu übernehmen, eine bessere Welt mitzugestalten.
Mach mit !)