Wer darf?

Wer darf?

Revolutionen, also gewaltsame Veränderungen, wie z.B. die in der Ukraine bringen immer unklare Rechtsverhältnisse mit sich. Eine Regierung, die zwar nicht nach den Gesetzen des eigenen Landes aber dafür moralisch legitimiert sein will, sollte deshalb wirklich darauf achten, ethisch einwandfrei zu bleiben.
Ja, ich muß zugeben, daß ich da bei Bankern und Geheimdienstlern besonders skeptisch bin. Und die Nazis  in dieser Regierung sind natürlich auch nicht besser. Sogar den Schlägern vom Majdan  wurden wichtige Posten angeboten. Da drängen sich die leider schnell wieder verstummten Forderungen einiger mutiger Protestierenden auf, ausnahmslos alle Politiker aus dem Parlament zu werfen. Was legitimiert also diese gar nicht so neue, provisorische ukrainische Regierung? Wohl weniger wer sie sind, oder was sie sagen, doch was & wie sie handeln.

Obwohl auch nicht ganz egal ist, was gesagt wird, wenn das Gesagte schlicht erfunden & erlogen ist. Wenn Jazenjuk z.B. behauptet, die Krim habe immer schon zur Ukraine gehört, so entspricht dies bekanntermaßen weder den politischen noch den historischen Tatsachen.

Und auch wie gesprochen werden darf, ist nicht ganz egal. Wenn eine provisorische Regierung als eine der ersten Amtshandlungen alle Minderheitenrechte beschneidet, indem sie statt fünf nur noch eine Amtsprache erlauben will, dann ist dies nicht nur moralisch sehr fragwürdig, sondern provoziert auch logischer- ja nahezu zwangsweise den Widerstand der landesweit zu mindestens 38,6 % russisch-sprechenden Bevölkerung.

Dann einfach die Ausstrahlung russischer Fernsehsender zu verbieten, entspricht nun wirklich nicht einer moralischen Legitimierung. Ist es ok, 15 Millionen Menschen wichtiger Informationen in ihrer Sprache zu berauben? Ist das keine Zensur? Sollten nicht alle die freie Wahl haben, auf wen sie hören wollen?
Ja, wir neigen dazu, russische Berichterstattung nur als Propaganda zu sehen, aber ist dieses Urteil nicht sehr chauvinistisch? Ist unsere Berichterstattung wirklich so viel objektiver? Da wird z.B. am selben Abend von zwei ganz unterschiedlichen Abstimmungen (auf der Krim und in Serbien) berichtet. In beiden Fernsehbeiträgen sind durchsichtige Wahlboxen zu sehen. Aber nur bei einer der beiden Wahlen, soll genau das ein Grund dafür sein, daß dieser Volksentscheid nicht demokratisch ist? Wer will den Seher für so dumm verkaufen? Was ist das sonst, wenn nicht Propaganda? Sehen wir alles nur so, wie wir es sehen wollen?

Vor nicht ganz hundert Jahren konnten die Menschen am südlichen und östlichen Rand Österreichs selbst bestimmen, ob sie zum Alpenstaat oder zu Jugoslawien bzw. Ungarn gehören wollten. Warum dürfen das die Russen nicht auch? Gilt das Recht auf Unabhängigkeit nur für die ukrainische Hauptstadt? Entspricht diese neue Regierung tatsächlich den Forderungen der Menschen? Ist sie wirklich moralisch legitimiert?

Wie viel kann dadurch entschuldigt werden, daß die Vorgänger noch viel schlimmer waren?
Oder entschuldigen wir bei vermuteten Verbündeten eigentlich eh alles? Wir messen bei Unabhängigkeitsbestrebungen mit zweierlei Maß. Wir akzeptieren fragwürdige Regierungsbildungen ohne jede Kritik und bezeichnen ganz ähnliches Vorgehen als fremdgesteuerte, illegale Abspaltung. Wie können wir verlangen, daß eine Abstimmung zuerst von denen akzeptiert werden muß, von denen abgespalten werden will? Widerspricht das nicht jeder Logik und auch dem Völkerrecht? Es gibt keine moralische Legitimierung für Unterdrückung. Und schon gar nicht für Stellvertreterkriege.

Im Kampf gegen das Unrecht wird leider viel zu oft auf das Recht vergessen. Doch wenn nicht gleiches Recht für alle gilt, kämpft einfach nur ein Unrecht gegen ein anderes. Wirkliche Verbesserungen können wir nur erreichen, wenn wir bei uns selber anfangen, unsere eigenen Vorurteile hinterfragen, unsere eigenen blinden Flecken suchen, Mißstände nicht nur bekämpfen sondern wirklich bessere Alternativen entwickeln und auch konsequent selber leben, Freiheit nicht nur fordern sondern auch gewähren.
Moralische Überlegenheit bringt keine Rechte sondern nichts weniger als Frieden mit sich selbst und sollte deshalb oberstes Ziel jedes Menschen sein.
Laßt uns selber bei uns beginnen !)